Mittwoch, 11. Juni 2025

Leitfaden für Modellbauer: Teil 3; Abweichungen von den RLM-Vorschriften bei der Luftwaffe im zweiten Weltkrieg.

Teil 3: Abweichungen von den RLM-Vorschriften

The Plastic Aviator Teil 3; Abweichungen von den RLM-Vorschriften bei der Luftwaffe im zweiten Weltkrieg.
Quelle: www.ww2incolor.com

Die Lackierung von Flugzeugen der deutschen Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs war durch Vorschriften des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) standardisiert. Diese Vorschriften, festgehalten in den Luftwaffen Dienstvorschriften (L.Dv.) 521 und den zugehörigen Farbtontafeln, definierten spezifische Farbtöne und deren Anwendung. Trotz dieser Standardisierungsbemühungen kam es im Verlauf des Krieges zu zahlreichen Abweichungen. Dieser Berichtsteil beleuchtet die Gründe für diese Abweichungen, gibt Beispiele für nicht-standardmäßige Tarnschemen und bietet detaillierte Anleitungen zur Verwendung und Mischung von Revell Aqua Color Farben zur Darstellung relevanter RLM-Farbtöne im Modellbau.

Gründe für Abweichungen von den RLM-Vorschriften

Die Diskrepanzen zwischen den offiziellen RLM-Vorschriften und der tatsächlich aufgetragenen Flugzeuglackierung hatten vielfältige Ursachen, die sich im Laufe des Krieges verstärkten.

  • Kriegsbedingte Materialengpässe: Einer der Hauptgründe für Abweichungen war die zunehmende Verknappung von Rohstoffen. Bestimmte Pigmente, die für die Herstellung spezifischer RLM-Farben benötigt wurden, standen nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. Beispielsweise waren Chromoxide, Hauptbestandteil von RLM 70, RLM 71 und RLM 74, Mangelware und wurden für die Produktion von Düsentriebwerken benötigt. Auch Kobalt, ein wichtiger Bestandteil von RLM 65 Hellblau, wurde für die Stahlproduktion dringender gebraucht, was möglicherweise zur Umstellung auf RLM 76 für Flugzeugunterseiten beitrug. Dies zwang die Farbenhersteller, auf Ersatzstoffe oder Pigmente minderer Qualität zurückzugreifen, was unweigerlich zu Farbtonschwankungen führte. Die Vorschriften ermutigten zwar die Verwendung von in Deutschland erhältlichen Pigmenten, doch die Realität des Krieges machte dies immer schwieriger.
  • Dezentralisierung der Produktion und Zuliefererprobleme: Die fortschreitenden alliierten Bombenangriffe auf deutsche Industrieanlagen führten zu einer Dezentralisierung der Flugzeugproduktion. Komponenten wurden in kleineren, verstreuten Betrieben gefertigt und oft bereits vorlackiert an die Endmontagewerke geliefert. Unterschiedliche Farbchargen und Interpretationen der Vorschriften in diesen Zulieferbetrieben resultierten in Flugzeugen, die bereits ab Werk uneinheitliche Lackierungen aufwiesen. Die logistischen Herausforderungen bei der Verteilung einheitlicher Farben und aktueller Farbmusterkarten an alle Produktionsstätten verschärften dieses Problem, insbesondere gegen Kriegsende.
  • Frontreparaturen und -modifikationen: An der Front tätige Einheiten sahen sich oft gezwungen, von den Standardvorschriften abzuweichen. Beschädigte Flugzeuge mussten unter Feldbedingungen repariert und neu lackiert werden, wobei nicht immer die korrekten RLM-Farben verfügbar waren. Zudem wurden Tarnanstriche den lokalen Gegebenheiten und taktischen Erfordernissen angepasst. Dies konnte das Auftragen von improvisierten Mustern, die Verwendung erbeuteter Farben (z.B. italienische Sandtöne für Wüstentarnungen ) oder das Mischen vorhandener Restbestände umfassen.
  • Vereinfachung von Tarnschemen gegen Kriegsende: Mit zunehmender Dauer des Krieges, schwindenden Ressourcen und dem steigenden Bedarf an schnell verfügbaren Flugzeugen wurden Tarnschemen tendenziell vereinfacht. Dies konnte bedeuten, dass bestimmte Farbtöne weggelassen oder Muster weniger präzise aufgetragen wurden. Die Einführung der späten Kriegslackierungen RLM 81, 82 und 83 kann auch als Versuch gesehen werden, Farben zu verwenden, deren Pigmente leichter verfügbar waren.
  • Interpretationsspielraum und fehlende Farbmusterkarten: Insbesondere für die späten RLM-Farbtöne 81, 82 und 83 existierten oft keine offiziellen Farbmusterkarten des RLM mehr, oder sie wurden nicht flächendeckend verteilt. Das RLM selbst räumte ein, dass die Lieferung von Farbmusterkarten für RLM 81 und 82 zeitweise nicht möglich sei. Dies führte unweigerlich zu unterschiedlichen Interpretationen der Farbtöne durch die verschiedenen Hersteller und Einheiten. So wurde RLM 81 von Messerschmitt als Braunviolett, von Dornier als Dunkelgrün und von Blohm & Voss als Olivbraun bezeichnet. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen deuten auf erhebliche Schwankungen im Erscheinungsbild hin.
  • Einfluss von Witterung und Einsatzbedingungen: Die Farben reagierten unterschiedlich auf Witterungseinflüsse wie Sonneneinstrahlung, Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen sowie auf die Einsatzhöhe. Dies führte zu Verblassen, Nachdunkeln oder Farbverschiebungen im Laufe der Zeit. Obwohl dies keine direkte Abweichung von den Vorschriften darstellt, trägt es zur Vielfalt der auf historischen Fotos und erhaltenen Wrackteilen sichtbaren Farbtöne bei.

Abweichungen in spezifischen Einsatzgebieten

Die Notwendigkeit, Tarnschemen an die jeweiligen Einsatzgebiete und taktischen Erfordernisse anzupassen, führte zu signifikanten Abweichungen von den Standard-RLM-Vorschriften. Diese Modifikationen wurden oft direkt von den Fronteinheiten vorgenommen, manchmal unter Verwendung nicht standardisierter oder erbeuteter Farben.


Luftschlacht um England (1940):


Zu Beginn der Luftschlacht um England war das Standardschema für Jäger wie die Messerschmitt Bf 109 E typischerweise RLM 70 Schwarzgrün und RLM 71 Dunkelgrün auf den Oberseiten und RLM 65 Hellblau an den Unterseiten und Rumpfseiten. 

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Erfahrungen aus dem Polenfeldzug zeigten jedoch, dass diese dunklen Grüntöne die Flugzeuge in der Luft zu leicht sichtbar machten. Daraufhin begannen viele Einheiten, die Tarnung anzupassen. Eine häufige Änderung war die Anhebung der Demarkationslinie zwischen den Oberseitenfarben und dem RLM 65 der Unterseite weiter nach oben an den Rumpfseiten.

Zusätzlich wurde oft einer der Grüntöne (RLM 70 oder RLM 71) durch das hellere RLM 02 Grau ersetzt, oder RLM 02 wurde zusätzlich zu den beiden Grüntönen aufgetragen. Dies führte zu Schemen wie RLM 02/71/65. Die Luftwaffe standardisierte schließlich auf ein RLM 70/02/65 Schema für Flugzeuge ab Werk. Eine markante Entwicklung war das Auftragen von Fleckenmustern (Mottling) in RLM 02, RLM 70 oder RLM 71 auf die mit RLM 65 lackierten Rumpfseiten, um die Silhouette weiter aufzubrechen. Die Art der Fleckung variierte stark zwischen den Einheiten.

Das Jagdgeschwader 2 (JG 2) "Richthofen" war bekannt für eine einzigartige, von Hand mit Pinsel oder Lappen aufgetupfte Fleckung aus RLM 71 auf den RLM 65 Rumpfseiten, was zu einem feineren Muster als bei gespritzter Fleckung führte. Die Oberseiten waren oft in RLM 71/02 gehalten.

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Quelle:richard.ferriere.free.fr

Bf 109 zeigten während der Luftschlacht um England manchmal RLM 70/02 Oberseiten über RLM 65 mit RLM 02 Fleckung. Eine Besonderheit war das Übermalen der Hakenkreuze als Protestaktion der Einheit.

Gelbe Identifizierungsmarkierungen an Bugnasen, Rudern und Flügelspitzen wurden verbreitet eingesetzt, um die eigenen Flugzeuge im Kampfgeschehen schneller zu erkennen. Die Ausführung und Platzierung dieser Markierungen variierte.


Nordafrika und Mittelmeerraum (ab 1941):


Die europäischen Standardtarnungen (z.B. RLM 70/71/65) erwiesen sich in der Wüstenumgebung als ungeeignet. Anfänglich mussten Einheiten improvisieren.

Die europäischen Standardtarnungen (z.B. RLM 70/71/65) erwiesen sich in der Wüstenumgebung als ungeeignet. Anfänglich mussten Einheiten improvisieren. Da spezielle RLM-Wüstenfarben nicht sofort verfügbar waren, griffen deutsche Einheiten auf italienische Bestände zurück. Insbesondere italienisches Sandgelb (z.B. Giallo Mimetico 3) wurde oft feldmäßig auf die Oberseiten der Flugzeuge aufgetragen, manchmal direkt über Teilbereiche der ursprünglichen europäischen Tarnung, was zu ungewöhnlichen mehrfarbigen Mustern führte.

Ab April 1941 wurden die offiziellen RLM-Wüstenfarben RLM 79 Sandgelb (für Oberseiten) und RLM 78 Himmelblau (für Unterseiten) eingeführt. RLM 79 variierte im Farbton von einem helleren Sandgelb bis zu einem dunkleren Sandbraun, letzteres möglicherweise beeinflusst durch italienische Pigmente oder unterschiedliche Produktionschargen. Oft wurde RLM 79 auf den Oberseiten mit unregelmäßigen Flecken oder Mustern aus RLM 80 Olivgrün ergänzt, um die Tarnwirkung in vegetationsreicheren Gebieten oder zur Bodenanpassung zu verbessern. Analog zur italienischen Regia Aeronautica wurde oft ein breites weißes Rumpfband zur schnellen Identifizierung im Mittelmeerraum angebracht. Auch weiße Flügelspitzen waren üblich.


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Bf 109 G-2, Jagdgeschwader 53 (JG 53), 1943: Maschinen dieser Einheit, die von der Ostfront nach Tunesien verlegt wurden, erhielten oft feldmäßig aufgebrachte Wüstentarnungen. Diese basierten häufig auf RLM 79/78, wobei die Applikation und eventuelle zusätzliche Fleckung mit RLM 80 oder anderen verfügbaren Farben stark variieren konnte.

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Quelle: www.reddit.com

Stukas, die nach Nordafrika kamen, behielten anfangs oft ihre europäische RLM 70/71/65 Tarnung. Später wurden sie mit italienischem Gelb übersprüht oder erhielten die RLM 78/79/80 Tarnung. Einige Ju 87 behielten ihre grüne Lackierung während des gesamten Krieges.

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Quelle: imodeler.com

Eine typische Wüstentarnung bestand aus RLM 79 auf den Oberseiten, leicht gefleckt mit RLM 80, und RLM 78 an den Unterseiten. Dazu kamen das weiße Mittelmeer-Rumpfband und oft gelbe Unterseiten der Motorhaube als zusätzliche Kennzeichnung.

Ostfront (ab 1941) und Wintertarnungen:

Zu Beginn des Russlandfeldzuges trugen die Flugzeuge die zu dieser Zeit üblichen Standardlackierungen (z.B. RLM 70/71/65 für Bomber und Schlachtflugzeuge, später RLM 74/75/76 für Jäger).

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Die größte Abweichung an der Ostfront war die Notwendigkeit einer Wintertarnung. Ab dem ersten Kriegswinter 1941/42 wurde eine temporäre weiße Tarnfarbe auf die Flugzeuge aufgebracht. Diese war meist eine wasserlösliche Kalkfarbe (oft als "Ikarin" bezeichnet ), die über die bestehende Sommertarnung gepinselt oder gespritzt wurde. Die Qualität und das Ausmaß der Wintertarnung variierten stark. 

Manchmal wurden die Flugzeuge komplett weiß getüncht, manchmal nur teilweise oder in unregelmäßigen Mustern, um die darunterliegende Tarnung durchscheinen zu lassen. Nationale Hoheitszeichen und Einheitsabzeichen wurden oft sorgfältig ausgespart, manchmal aber auch übermalt. Im Laufe des Winters wusch sich die temporäre weiße Farbe ab, blätterte ab und verschmutzte stark, was zu sehr uneinheitlichen und verwitterten Erscheinungsbildern führte. Im Frühjahr wurde die restliche weiße Farbe dann meist abgewaschen.

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Auch an der Ostfront wurden gelbe Identifizierungsmarkierungen verwendet, typischerweise als Rumpfband hinter dem Cockpit, an den unteren Flügelspitzen und manchmal an der unteren Motorverkleidung. Diese Markierungen blieben oft auch bei Anbringung der Wintertarnung sichtbar oder wurden auf dieser erneuert.


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Beispiel Fw 190 A, Jagdgeschwader 54 (JG 54) "Grünherz": Diese Einheit war bekannt für ihre oft sorgfältig und individuell gestalteten Wintertarnungen über dem Standard Jägerschema RLM 74/75/76.

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Auch Stukas erhielten an der Ostfront Winteranstriche. Eine interessante Variante, die bei einigen Ju 87 D in Russland 1943/44 beobachtet wurde, bestand aus weißen Punkten, die über die ursprüngliche Splittertarnung gesprüht wurden, anstatt einer vollständigen Weißwäsche.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Lackierungsvorschriften des RLM zwar eine standardisierte Basis schufen, die Realität des Krieges jedoch eine immense Vielfalt an Anpassungen und Improvisationen hervorbrachte. Für Modellbauer ergibt sich daraus die spannende Aufgabe, diese historischen Abweichungen anhand von Fotos und Berichten zu recherchieren und auf ihren Modellen umzusetzen.

Spezifische Beispiele für nicht-standardmäßige Tarnschemen und deren Interpretation im Modellbau

Die genannten Gründe führten zu einer Vielzahl von nicht-standardmäßigen Lackierungen, die für Modellbauer sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance zur individuellen Gestaltung darstellen.


Flugzeugtypen und ihre typischen Abweichungen:

Messerschmitt Bf 109 G/K: Bei späten Versionen der Bf 109 G und K sind oft Mischbestückungen aus verschiedenen Zulieferbetrieben zu beobachten, was zu uneinheitlichen Applikationen der RLM 81/82/76 Tarnung führen konnte. 

Teilweise wiesen Flugzeuge Holzleitwerke auf, die separat und möglicherweise abweichend lackiert wurden. Einheiten, die von anderen Fronten nach Nordafrika verlegt wurden, erhielten oft feldmäßig aufgebrachte Wüstentarnungen, die stark von den Standardmustern abwichen. 

Auch bei der Fw 190 D-9 führten Produktionsprobleme gegen Kriegsende zu Variationen in der RLM 81/82/76 Lackierung. Eine Besonderheit stellten einige Maschinen des Jagdverbandes 44 (JV 44) dar, die zur Vermeidung von Eigenbeschuss rote Unterseiten mit weißen Streifen erhielten. Gelegentlich wurden an der Front Modifikationen wie "umlaufende" Tarnfarben an den Flügelvorderkanten oder Fahrwerksabdeckungen vorgenommen, um die Sichtbarkeit am Boden zu reduzieren. Die Grundierungsfarbe konnte ebenfalls den finalen Farbton beeinflussen.

Als eines der ersten einsatzfähigen Strahlflugzeuge fiel die Me 262 in die Periode der größten Materialengpässe und Produktionsstörungen. Obwohl primär für die RLM 81/82/76 Tarnung vorgesehen, zeigten diese Flugzeuge eine erhebliche Bandbreite an Farbtonvariationen und Applikationsqualitäten. Die logistischen Schwierigkeiten, spezifische Farben an die Me 262-Einheiten zu liefern, trugen zusätzlich zu dieser Vielfalt bei.

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Quelle:www.ww2incolor.com

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Herausforderungen für den Modellbauer:

Die Interpretation historischer Lackierungen erfordert eine sorgfältige Prüfung der verfügbaren Quellen. Zeitgenössische Schwarz-Weiß-Fotografien sind notorisch schwierig zu deuten, da unterschiedliche Farben ähnliche Grauwerte ergeben können. Farbaufnahmen aus der Zeit sind selten und können durch Alterung des Filmmaterials oder Entwicklungsprozesse verfälscht sein. Moderne Publikationen und Profile sollten ebenfalls kritisch betrachtet und mit Primärquellen abgeglichen werden.

Interpretationsspielraum vs. historische Genauigkeit: 

Angesichts der oft lückenhaften oder widersprüchlichen Datenlage ist es nicht immer möglich, eine Lackierung mit absoluter Sicherheit zu rekonstruieren. Modellbauer müssen oft eine plausible Interpretation finden, die auf den verfügbaren Informationen basiert. Ein stimmiges Gesamtbild des Modells ist dabei oft wichtiger als die pedantische Einhaltung vermeintlich exakter Farbvorgaben, die in der Realität möglicherweise nie so existierten.

Tipps zur Verwendung der Revell Aqua Color Serie für RLM-Farbtöne

Revell Aqua Color Farben sind wasserbasierte Acrylfarben, die sich gut für den Modellbau eignen, aber einige Besonderheiten in der Verarbeitung aufweisen.


Allgemeine Verarbeitungshinweise:


Verdünnung: Revell empfiehlt eine Verdünnung von 20-25% mit Wasser oder dem speziellen Revell Aqua Color Mix. Für die Airbrush-Anwendung berichten viele Modellbauer jedoch von besseren Ergebnissen mit höheren Verdünnungsverhältnissen, oft 1:1 (Farbe:Verdünner) oder sogar 2 Teile Verdünner auf 1 Teil Farbe, abhängig von der Konsistenz der jeweiligen Farbe. Einige Modellbauer experimentieren auch mit Fensterreinigungsmitteln (z.B. Sidolin) als Verdünner, was die Fließeigenschaften verbessern kann. Von der Verdünnung mit reinem Alkohol wird bei Aqua Color Farben eher abgeraten, da dies zum Ausflocken der Farbe führen kann. Beim Pinselauftrag sollte die Farbe so verdünnt werden, dass sie vom Pinsel tropft, aber nicht herunterrinnt.

Aufrühren: Ein sehr gründliches Aufrühren der Farbe vor Gebrauch ist unerlässlich, da sich Pigmente absetzen können und die Konsistenz von Töpfchen zu Töpfchen variieren kann. Nicht nur schütteln, sondern mit einem Rührstab homogenisieren.

Auftrag (Pinsel und Airbrush): Generell gilt: Mehrere dünne Farbschichten ergeben ein besseres Ergebnis als eine einzelne dicke Schicht. Dies ist besonders wichtig bei problematischen Farbtönen. Für die Airbrush-Anwendung wird oft mit niedrigem Druck (ca. 0,7-1,0 bar bzw. 10-15 psi) gearbeitet.

Grundierung: Eine Grundierung der zu lackierenden Oberfläche wird empfohlen, um eine bessere Haftung der Farbe zu gewährleisten und eine einheitliche Basis für den Farbauftrag zu schaffen.

Trocknung: Revell Aqua Color Farben trocknen relativ schnell an der Oberfläche (wenige Minuten). Die vollständige Durchtrocknung kann jedoch 12 bis 24 Stunden dauern. Vor dem Abkleben oder Auftragen weiterer Schichten sollte eine ausreichende Trockenzeit eingehalten werden.

Reinigung: Arbeitsgeräte können, solange die Farbe noch feucht ist, mit Wasser gereinigt werden. Für angetrocknete Farbe eignen sich spezielle Acrylfarben-Reiniger wie Revell Aqua Color Clean oder auch Isopropylalkohol.


Besonderheiten bei RLM-Farbtönen:


Deckkraft problematischer Farben: Bestimmte Farbtöne der Aqua Color Serie, insbesondere Weiß, Gelb und Rot, können von Haus aus sehr dickflüssig sein und eine geringere Deckkraft aufweisen. Diese Farben erfordern oft eine stärkere Verdünnung und den Auftrag in mehreren, sehr dünnen Schichten, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Dies ist relevant für RLM-Markierungsfarben wie RLM 04 Gelb, RLM 21 Weiß, RLM 23 Rot und RLM 27 Gelb.

Farbtonvariationen ab Werk: Obwohl Revell mit dem Set 36200 "German Aircraft WWII" direkt auf RLM-Farbtöne abgestimmte Farben anbietet , können einzelne Farbtöne aus dem Standardsortiment oder auch innerhalb verschiedener Produktionschargen leichte Abweichungen aufweisen. Es ist immer ratsam, den Farbton vor der Anwendung auf dem Modell zu testen.

Notwendigkeit des Mischens: Für RLM-Farbtöne, die nicht direkt im Aqua Color Sortiment oder im genannten Set enthalten sind, ist das Mischen von Farben unumgänglich. Auch zur Darstellung von Varianten oder zur Anpassung an den "Scale Effect" kann ein Mischen erforderlich sein.

Mischanleitungen für relevante RLM-Farben mit Revell Aqua Color


Die exakte Nachbildung von RLM-Farbtönen ist eine Herausforderung, da Originalfarbmuster selten und Interpretationen vielfältig sind. Die folgenden Mischvorschläge für Revell Aqua Color basieren auf verfügbaren Informationen, Konvertierungen von anderen Farbserien (insbesondere Tamiya, da hierfür detailliertere Mischverhältnisse für RLM-Töne dokumentiert sind) und gängigen Interpretationen der RLM-Farbtöne. Sie dienen als Ausgangspunkt für eigene Experimente.

Grundlagen des Mischens:


Basisfarben: Eine Auswahl an grundlegenden Revell Aqua Color Farbtönen ist für das Mischen unerlässlich. Dazu gehören verschiedene Grau-, Blau-, Grün- und Brauntöne sowie unbedingt Weiß (36105 matt) und Schwarz (36108 matt) zum Aufhellen bzw. Abdunkeln oder Brechen der Leuchtkraft.

Verhältnisse: Angaben wie "Teile" (T) beziehen sich auf Volumenanteile. Die Verwendung von Pipetten oder Spritzen kann hierbei hilfreich sein.

Testen und Anpassen: Jede Mischung sollte auf einem Stück Plastikabfall getestet und vollständig getrocknet werden, da sich der Farbton beim Trocknen leicht verändern kann. Anpassungen (heller, dunkler, anderer Farbnuance) sollten immer nur mit kleinsten Mengen der entsprechenden Farbe erfolgen.

Tabelle mit Mischvorschlägen für Revell Aqua Color:

RLM-Nr.

Bezeichnung

Revell Aqua Color Direkt / aus Set 36200

Vorgeschlagene Mischung (Basis: Revell Aqua Color Matt)

Anmerkungen

RLM 02

RLM-Grau

36145 Helloliv (lt. )

1T 36145 Helloliv + 1T 36189 Beige + 2T 36105 Weiß

Vielseitiges Grau-Grün für Innenräume, frühe Tarnungen.

RLM 04

Gelb

36115 Gelb (lt. )


Für Markierungen. Ggf. mit wenig Orange (36130) für satteren Ton.

RLM 21

Weiß

36105 Weiß


Für Markierungen.

RLM 22

Schwarz

36108 Schwarz


Für Markierungen, Nachtjäger.

RLM 23

Rot

36136 Karminrot

Basis 36136, ggf. mit Spur Schwarz (36108) oder Dunkelgrau (z.B. 36178) abdunkeln.

Für Markierungen. Kein leuchtendes Rot.

RLM 24

Dunkelblau

36156 Blau (lt. )

9T 36156 Blau + 1T 36105 Weiß

Für Markierungen.

RLM 65

Hellblau

Aus Set 36200 ; einzeln evtl. 36149 Hellblau

2T 36149 Hellblau + 1T 36105 Weiß

Unterseitenfarbe. Frühe Version bläulicher, 1941er-Version gräulicher.

RLM 66

Schwarzgrau

36177 Staubgrau oder 36178 Panzergrau (besser lt. )


Cockpitfarbe ab ca. 1941.

RLM 70

Schwarzgrün

Aus Set 36200 ; einzeln 36140 Schwarzgrün


Oberseiten-Tarnfarbe, Propeller.

RLM 71

Dunkelgrün

Aus Set 36200 ; einzeln 36139 Dunkelgrün

1T 36168 Dunkelgrün (Bronzegrün matt 65) + 1T 36189 Beige

Oberseiten-Tarnfarbe.

RLM 74

Dunkelgrau (Grüngrau)

Aus Set 36200 ; einzeln evtl. 36167 Grüngrau

Alternative 1: 3T 36105 Weiß + 2T 36178 Panzergrau + 1T 36140 Schwarzgrün Alternative 2: 3T 36178 Panzergrau + 2T 36140 Schwarzgrün

Oberseiten-Tarnfarbe für Jäger. Dunkles Blaugrau mit Grünstich.

RLM 75

Mittelgrau (Grauviolett)

Aus Set 36200 ; einzeln evtl. 36147 Mausgrau oder 36177 Staubgrau

Alternative 1: 7T 36105 Weiß + 3T 36178 Panzergrau + Spur 36140 Schwarzgrün Alternative 2: 5T 36178 Panzergrau + 1T 36151 Ultramarinblau

Oberseiten-Tarnfarbe für Jäger. Mittleres Grau mit Violettstich.

RLM 76

Lichtblau

Aus Set 36200 ; einzeln evtl. 36176 Lichtgrau oder 36149 Hellblau

Alternative 1: 5T 36155 Lichtgrün + 3T 36105 Weiß + 2T 36157 Grau Alternative 2: 7T 36105 Weiß + 1T 36149 Hellblau + 2T 36176 Lichtgrau

Unterseitenfarbe für Jäger. Späte Varianten ("RLM 84") heller, gräulicher oder beiger.

RLM 78

Himmelblau


4T 36149 Hellblau + 1T 36151 Ultramarinblau (oder anderes passendes Blau für türkisen Stich)

Unterseitenfarbe für Wüstentarnungen. Helles, leicht türkisfarbenes Blau.

RLM 79

Sandgelb


3T 36116 Sand + 1T 36185 Braun. Für sandbraune Variante Braunanteil erhöhen. Revell Aqua 36116 Sand oder 36117 Afrikabraun als Basis.

Wüstentarnung Oberseiten. Variierte von Sandgelb bis Sandbraun.

RLM 80

Olivgrün


6T 36142 Gelboliv + 1T 36105 Weiß Alternativ 36142 Gelboliv oder 36145 Helloliv als Basis, ggf. mit Braun/Grau anpassen. Revell Enamel 32142 Gelboliv als Entsprechung genannt.

Fleckentarnung auf RLM 79. Gedämpftes Olivgrün.

RLM 81

Braunviolett / Olivbraun / Dunkelgrün

Aus Set 36200

Braunviolett-Variante: Basis aus Set 36200 + Zugabe von 36183 Rost oder 36137 Ziegelrot und Spur Schwarz/Dunkelgrau. Oder 1T 36189 Beige + 2T 36185 Braun Olivbraun/Dunkelgrün-Variante: Basis aus Set 36200 + mehr Grünanteil (z.B. 36140) oder Braunanteil (z.B. 36187).

Sehr variabler Farbton der Spätkriegszeit.

RLM 82

Hellgrün (Lichtgrün)

Aus Set 36200 ; evtl. 36165 Bronzegrün

Alternative 1: 1T 36168 Dunkelgrün (Bronzegrün matt 65) + 1T 36115 Gelb Alternative 2: 1T 36168 Dunkelgrün (Bronzegrün matt 65) + 1T 36105 Weiß 36155 Lichtgrün als Basis denkbar.

Spätkriegs-Oberseitenfarbe. Helles, frisches Grün.

RLM 83

Dunkelgrün


Alternative 1: 36168 Dunkelgrün (Bronzegrün matt 65) (basierend auf Tamiya XF5 ). Alternative 2: 1T 36178 Panzergrau + 1T 36189 Beige (basierend auf Tamiya-Mix ). Basis 36139 Dunkelgrün oder 36140 Schwarzgrün, angepasst mit Grau/Braun.

Spätkriegs-Oberseitenfarbe. Natur umstritten, oft als Dunkelgrün interpretiert, dunkler/ "schmutziger" als RLM 71. Einige Quellen Dunkelblau.


Hinweise zur Anpassung der Mischungen:


Aufhellen: 
Zugabe von Weiß (36105 matt) in kleinen Schritten.

Abdunkeln: 
Zugabe von Schwarz (36108 matt) oder der dunkelsten Komponente der Mischung, ebenfalls in kleinen Schritten. Vorsicht mit Schwarz, es kann Farben schnell "schmutzig" machen.

Farbtonverschiebung: 
Zugabe geringster Mengen anderer Farbtöne, um die Nuance anzupassen (z.B. ein Tropfen Blau, um ein Grün kühler wirken zu lassen).

Notwendigkeit von Testmischungen
Es kann nicht genug betont werden, dass alle Mischvorschläge als Ausgangspunkte zu verstehen sind. Die tatsächlichen Ergebnisse hängen von der genauen Konsistenz der verwendeten Farben und der individuellen Wahrnehmung ab. Immer auf einem Reststück Plastik testen und vollständig trocknen lassen.

Alternative Farbhersteller: 
Sollten die Ergebnisse mit Revell Aqua Color für bestimmte RLM-Töne nicht zufriedenstellend sein, bieten andere Hersteller (z.B. Gunze, Vallejo, AK Interactive, Hataka) oft spezialisierte RLM-Farbsets an, die als Alternative in Betracht gezogen werden können.

Schlussbemerkungen


Die Farbgebung der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg ist ein komplexes und faszinierendes Thema. Die offiziellen RLM-Vorschriften bildeten zwar einen Rahmen, doch kriegsbedingte Umstände führten zu erheblichen Abweichungen und einer großen Vielfalt an tatsächlich verwendeten Lackierungen. Für den Modellbauer bedeutet dies, dass eine sorgfältige Recherche unerlässlich ist. Zeitgenössische Fotos, Berichte und erhaltene Originalteile (sofern zugänglich) sowie seriöse Fachliteratur sind wichtige Informationsquellen.

Die Revell Aqua Color Serie bietet eine gute und zugängliche Basis für die Darstellung von RLM-Farbtönen. Die Verarbeitung erfordert jedoch spezifisches Wissen, insbesondere hinsichtlich Verdünnung und Auftrag. Das Mischen von Farbtönen ist oft notwendig, um die gewünschten Nuancen oder nicht direkt verfügbare RLM-Farben zu erzielen. Die hier präsentierten Mischvorschläge sind als Anregung und Ausgangspunkt für eigene Experimente zu verstehen.

Letztendlich liegt es im Ermessen des Modellbauers, wie er die historischen Informationen interpretiert und auf seinem Modell umsetzt. Angesichts der historischen Ungewissheiten und Variationen ist oft ein stimmiges und plausibles Gesamtbild wichtiger als die pedantische Einhaltung einer vermeintlich "exakten" Farbvorgabe, die es in dieser Form vielleicht nie gegeben hat. Das Experimentieren mit Farben und Techniken sowie der Austausch von Erfahrungen innerhalb der Modellbau-Community tragen maßgeblich zu gelungenen und historisch anmutenden Modellen bei.

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